Taschenbuch mit 82 Seiten
Illustration v. Heike Georgi
Format: 13,5 x 21 cm
Empfohlen ab 8 Jahre
Der kleine Ritter Rodewald von Bilstein findet eines Tages im Verlies der Burg einen gelben Bernstein, den er zunächst für den Zahn eines Raben hält. Im Traum und mit der Hilfe eines alten
Wahrsagers entdeckt er, dass dieser Stein ein sogenannter Zeitenstein ist, mit dem man in die Vergangenheit und in die Zukunft sehen kann. Spannende Abenteuer
Leseprobe:
Wie Rabenzahn zu seinem Namen kam
Vor vielen hundert Jahren lebten auf Burg Bilstein der Ritter Rodewald und
seine Frau Edeltraud.
Bilstein war eine kleine, aber stolze und schöne Burg.Sie lag auf einem Felsen hoch
über dem Höllental und war auf allen Seiten von Wald umgeben. Der Ritter,seine Frau,
der Stallknecht Urs und die Magd Gerlinde waren die einzigen Bewohner der Burg. Es ging ihnen gut, denn sie lebten im Frieden. Und doch waren Ritter Rodewald und seine Frau Edeltraud über
lange Zeit unglücklich, denn sie wünschten sich vergeblich ein Kind. Als sie
die Hoffnung schon fast aufgegeben hatten, ging ihr Wunsch endlich in Erfüllung.
Sie bekamen einen gesunden Sohn, den sie, wie es damalsso üblich war, nach seinem Vater nannten also Rodewald.
Der kleine Rodewald wuchs heran und machte seinen Eltern die Freude, die sie
in den Jahren zuvor so herbeigesehnt hatten. Sein Vater bewunderte den Mut und
die Klugheit des Kleinen, der vor nichts und
niemandem Angst hatte, und war überzeugt, dass er eines Tages ein guter Ritter
werden würde. Seine Mutter schätzte vor allem die Fantasie ihres Sohnes, der mühelos in jedem Felsen allerlei Gesichter und Figuren erkennen konnte. Urs, der Stallknecht, hatte noch
nie ein achtjähriges Kind gesehen, das so gut reiten konnte.
Und Gerlinde war überzeugt, dass der Kleine einmal zu einem gutaussehenden
Jüngling heranwachsen würde, den jeder mochte.
Trotz alledem war Rodewald kein Musterknabe. Er war recht eigensinnig und vor
allem sehr, sehr neugierig. So kam es, dass er eines Tages, kurz nach seinem
achten Geburtstag, trotz des strengen Verbots
seines Vaters beschloss, auch den Winkel der Burg zu erkunden, den er bisher
als einzigen noch nicht kannte: das Verlies.
Er wartete ab, bis sein Vater und Urs zum Pferdemarkt ins Dorf geritten waren.
Als die beiden Frauensich in die Burgküche begaben, um für den Abend ein gutes Mahl
zuzubereiten, konnte Rodewald unbemerkt zum Eingang des Verlieses schleichen. Er nahm seine ganze Kraft zusammen und schaffte es, das eiserne Tor gerade so weit aufzudrücken, dass ein
kleiner Kerl wie er hineinschlüpfen konnte. Schon nach wenigen
Schritten konnte er in der Dunkelheit nichts mehr erkennen. Doch so schnell
gab er nicht auf. Er ging langsam zurück und holte sich aus einer Halterung in der Stallmauer eine brennende Fackel schon wieder
etwas, was sein Vater ihm verboten hatte. Aber einmal begonnen, wollte er sein
Abenteuer nun auch zu Ende führen.
Mit der brennenden Fackel kehrte er ins Verlies zurück und erkannte jetzt,
dass der Gang sich nach wenigen Metern verzweigte. Vorsichtig, auf Zehenspitzen, tappte der Junge voran in das unheimliche Gewölbe, als plötzlich etwas ganz nah an seinem
Gesicht vorbeiflatterte. Vor Schreck hätte Rodewald fast die Fackel fallen
lassen. Aber dann erinnerte er sich daran, im Sommer selbst schon einmal beobachtet zu
haben, wie geschickt die Fledermäuse abends immer an dem fast geschlossenen
Tor vorbei aus dem Verlies herausgeflogen kamen. So bezwang Rodewald die aufkommende Furcht, indem er ein Liedchen summte, das ihm seine Mutter früher immer am Bett
gesungen hatte. Die vertraute Melodie beruhigte ihn ein wenig. Mit noch leicht
beklommenem Herzen ging er weiter und wandte sich zuerst dem linken Gang zu. Am Boden lagen schwere eiserne Ketten und Kugeln. Der
letzte Gefangene war dort zu Zeiten seines Großvaters angekettet gewesen
eine unbehagliche Vorstellung.
Nach etwa zehn Schritten endete der Gang unvermittelt. Rodewald leuchtete
jeden Winkel sorgfältig aus, musste aber enttäuscht feststellen, dass es hier nichts weiter zu entdecken gab. So kehrte er um und wagte sich nun in den rechten Gang, der deutlich schmaler war und abwärts führte. Er kam an eine niedrige Stelle, wo sogar er
sich bücken musste. Ein Erwachsener hätte wahrscheinlich kriechen müssen. Nach
einigen Metern aber weitete sich der Gang wieder zu einem großen hohen Raum.
Auch hier lagen Eisenketten und -kugeln auf dem Boden. Überall flatterten
aufgeschreckte Fledermäuse umher, denn derartige Störungen kannten sie nicht. Rodewald ließ seinen Blick aufmerksam umherschweifen und erkannte, dass es auch hier nicht
weiterging.
Als er sich enttäuscht auf den Rückweg machen wollte, stolperte er über eine
Eisenkette, die er bisher nicht bemerkt hatte. Der Junge hielt die Fackel tiefer und sah plötzlich im Schein des Feuers etwas aufblitzen.
Er bückte sich und hob es auf, es fühlte sich glatt und kühl an. Im
flackernden Licht der Fackel erkann